1938–1945: Verfolgung von Jüdinnen und Juden
Überblick über die Entwicklung und Eskalation
Schätzungen zufolge lebten im März 1938 etwa 201.000 Personen in Österreich, die nach NS-Definition als Jüdinnen und Juden galten. Davon waren 181.882 Mitglieder der Israelitischen Kultusgemeinden in Österreich, der Großteil davon – 167.249 Personen – in Wien. Die unmittelbar nach dem „Anschluss“ an das Deutsche Reich erfolgenden pogromartigen Ausschreitungen, willkürlichen Verhaftungen sowie die privaten und behördlichen Raubzüge, Berufsausschlüsse und die gesellschaftliche Ächtung lösten eine massive Fluchtwelle aus. Die über Nacht einsetzende Rechtlosigkeit von Jüdinnen und Juden stellt einen bedeutenden Unterschied zu der seit 1933 wesentlich langsamer eskalierenden Verfolgungssituation in Deutschland dar. Im Laufe der Jahre 1938/39 wurde die jüdische Bevölkerung aus den österreichischen Bundesländern nach Wien vertrieben. Der Kriegsbeginn im September 1939 stellte eine Zäsur in der nationalsozialistischen Judenverfolgungspolitik dar, im Zuge dessen auch wichtige Fluchtrouten blockiert wurden. In den Jahren 1941/42 wurde der Großteil der verbliebenen jüdischen Bevölkerung aus Wien deportiert. Jüdinnen und Juden wurden aber auch aus vermeintlichen Zufluchtsländern von den Nationalsozialisten eingeholt. Insgesamt wurden mehr als 66.000 österreichische Jüdinnen und Juden Opfer der Shoah.