1938–1945: Verfolgung von Menschen als „asozial“
Von NS-Normen abweichendes Verhalten als Verfolgungsgrund
Bis zum Kriegsende gab es keine allgemein gültige Definition von „Asozialität“. NS-Erlässe und Richtlinien legten jedoch Kriterien fest, anhand deren die Behörden Menschen als „asozial“ stigmatisieren konnten. Darunter fielen etwa eine nicht ausreichende Arbeitsmoral, wiederholte Konflikte mit Behörden, Verwahrlosung, Abhängigkeit von öffentlicher Unterstützung, Alkoholismus und ein von der bürgerlichen Norm abweichendes sexuelles Verhalten. Weibliche Jugendliche und Frauen wurden insbesondere wegen ihres vermeintlichen „liederlichen Lebenswandels“ verfolgt. „Asozialität“ begriffen die Nationalsozialist*innen als ein vererbtes bzw. vererbbares Merkmal und damit als Bedrohung für den „Volkskörper“.
Die Gaue Wien und Niederdonau taten sich in der Verfolgung von als „asozial“ stigmatisierten Menschen besonders hervor. Arbeitsamt, Fürsorge, Kriminalpolizei, Gestapo und öffentliche Verwaltung arbeiteten in Asozialenkommissionen eng zusammen. Jugendliche, Frauen und Männer wurden in geschlossene Arbeitsanstalten (z.B. Am Steinhof oder Znaim für Frauen) oder Arbeitserziehungslager (z.B. Oberlanzendorf für Männer) eingewiesen oder auch in Konzentrationslager deportiert.
Amesberger/Halbmayr/Rajal (2019): „Arbeitsscheu und moralisch verkommen“ – Stigmatisierung und Verfolgung von Frauen als „Asoziale“ in der Ostmark und Fortschreibungen nach 1945, Wien: Mandelbaum.