1955: Oberst-Paragraph
Ehemalige Wehrmachtsoffiziere im Österreichischen Bundesheer
Im österreichischen Staatsvertrag von Wien vom 15. Mai 1955 war in Artikel 12 Ziffer 3 geregelt, dass jene Österreicher, die zwischen 13. März 1938 und 8. Mai 1945 in der Deutschen Wehrmacht als Oberst oder in einem höheren militärischen Rang gedient hatten, nicht in die neuen österreichischen Streitkräfte aufgenommen werden durften. Da das im Aufbau befindliche Bundesheer auf das Wissen und die Fähigkeiten der Personen, die ihre Karriere größtenteils noch im Bundesheer der Ersten Republik begonnen hatten, nicht verzichten wollte, wurde nach einer Möglichkeit gesucht, die als „Oberst-Paragraph“ bezeichnete Regelung zu umgehen. Tatsächlich wurden ab 1956 insgesamt fünf Personen, die ab dem 1. Mai 1945 zum Oberst befördert waren, als Offiziere in das österreichische Bundesheer übernommen. Dieses Vorgehen widersprach klar den Bestimmungen des Staatsvertrages, und wurde damit begründet, dass die Männer zu diesem Zeitpunkt keine Angehörigen der Deutschen Wehrmacht gewesen wären. Schließlich hatte schon am 27. April 1945 die österreichische Unabhängigkeitserklärung den „Anschluss“ an das Deutsche Reich 1938 für null und nichtig erklärt. Deshalb sei auch die Rangerhöhung nicht mehr wirksam geworden. Über diesen kleinen Personenkreis hinaus wurden jedoch zahlreiche weitere ehemalige Militärpersonen, die als Oberste oder in einem höheren Rang in der Armee des Deutschen Reiches gedient hatten, mit Billigung der österreichischen Bundesregierung als Zivilbedienstete in das Bundesheer übernommen, wo sie maßgeblich den Neuaufbau der österreichischen Streitkräfte mitgestalteten.