1914: Kriegszitterer
(Un-)sichtbare Traumata des ersten Weltkriegs
Als „Kriegszitterer“ bezeichnete man im und nach dem Ersten Weltkrieg jene Soldaten, die durch die psychische Überbelastung, den Lärm und die Druckwellen an der Front die Kontrolle über ihren Körper verloren hatten. Shell shock nannten britische und amerikanische Militärärzte dieses Phänomen (nach Shell, der Granate). Die Zahl der Betroffenen ging in die Millionen, mit unscharfen Grenzen, denn der Großteil der Soldaten war psychisch traumatisiert von der Front zurückgekommen.
Während man Offiziere mit Bädern und Beruhigungsmitteln zu kurieren versuchte, wurden einfache Soldaten mittels extrem schmerzhafter Elektroschocks „behandelt“, um etwaige Simulanten zu enttarnen und an die Front zurückzuschicken. Der bekannte Psychiater Julius Wagner-Jauregg hatte sich in der Anwendung dieser sinnlos grausamen Misshandlungsform hervorgetan. Er wurde 1920 aber, nicht zuletzt wegen eines reserviert-positiven Gutachtens von Sigmund Freud, vom Vorwurf der Pflichtverletzung freigesprochen. Die häufige Verschreibung von Drogen, besonders Morphium, führte zu einem starken Anstieg der Abhängigkeiten von Suchtmitteln.
Karl Kraus hat den Kriegszitterern in seinen „Letzten Tagen der Menschheit“ ein wortgewaltiges Denkmal gesetzt.