1938–1945: Nationalsozialistische Liederbücher
Ideologievermittlung über das gemeinsame Singen
Um die Bevölkerung vom Nationalsozialismus und der Notwendigkeit eines Krieges zu überzeugen, wurden Kultur und Bildung auf allen Ebenen „gleichgeschaltet“. Besonders über das gemeinsame Singen in Schule und Hitlerjugend sollte schon den Jüngsten ein Weltbild vermittelt werden, das mit der Ideologie übereinstimmte: „Vorwärts! Vorwärts! Schmettern die hellen Fanfaren. Vorwärts! Vorwärts! Jugend kennt keine Gefahren. Deutschland, du wirst leuchtend stehn, mögen wir auch untergehn.“, dichtete etwa der erste Reichsjugendführer und spätere Gauleiter und Reichsstatthalter von Wien, Baldur von Schirach. „NS-Feierlieder“ dieser Art wurden zu Dutzenden neu geschaffen und fanden Eingang in eigens produzierte neue Liederbücher.
Am Anfang einer typischen NS-Liedersammlung stehen immer die NS-Parteilieder (z.B. das „Horst-Wessel-Lied“) oder Lieder, die dazu gemacht wurden. Ein Beispiel dafür ist „Wenn alle untreu werden“, verfasst von Max von Schenkendorf 1814, das von den Nationalsozialist*innen als „SS-Treuelied“ missbraucht wurde. Einem weiteren Kapitel mit Soldaten- und Landsknechtliedern, die oft aus der Zeit der Napoleonischen Kriege stammen und von der Jugendbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt worden waren, folgt meist allgemein bekanntes Liedgut in Form weit verbreiteter Volks- und Heimatlieder oder scherzhafter Lieder. Auf Deckblättern oder in Randspalten finden sich mitunter NS-Insignien wie Hakenkreuzfahnen oder einzelne Sprüche und einschlägige Hitler-Zitate. Ein von Herausgeber*innen oder einer übergeordneten Parteiinstanz verfasstes Vorwort schwört die Lesenden gleich zu Beginn auf die Inhalte ein: „Dieses Buch gehört dir! […] in ihm schwingt der Liedrhythmus, an dem sich unsere Väter in den Schützengräben des Großen Krieges aufgerichtet haben […].“
Typische Beispiele für NS-Liederbücher sind etwa Georg Blumensaats „Lied über Deutschland“ (1936), aus dessen Vorwort obiges Zitat stammt, oder Josef Eduard Ploners „Hellau! Liederbuch für Front und Heimat des Gaues Tirol-Vorarlberg“ (1941), aber auch „musikpädagogische“ Ausgaben wie Friedrich Frischenschlagers zweibändiges, für den Volksschulgebrauch erstelltes „Alpenländisches Singbuch“ (o.J.).