1927: Justizpalastbrand
Zentraler Wendepunkt der Ersten Republik
Der Prozess gegen die Todesschützen von Schattendorf wurde in Wien geführt. Zwölf Geschworene – ein repräsentativer Querschnitt durch die Bevölkerung – sollten ein Urteil fällen. Die Anklage lautete Mord und absichtliche schwere Körperverletzung. Der Spruch der Geschworenen fiel denkbar knapp, weil sieben der Geschworenen mit Ja stimmten. Damit war die notwendige Zweidrittelmehrheit um eine Stimme verfehlt und die Angeklagten waren freizusprechen (aufgrund des Rechtsgrundsatzes „Im Zweifel für die Angeklagten“). Der Freispruch wurde am 14. Juli 1927 verkündet.
Am 15. Juli kam es zu einer spontanen Massendemonstration gegen das Urteil. Selbst die führenden Sozialdemokrat*innen waren nicht in der Lage, die Demonstrierenden zu beruhigen. Zu Mittag stand der Justizpalast in Flammen, die Feuerwehr kam mit ihren Fahrzeugen nicht durch die Menschenmenge. Polizeipräsident Johannes Schober gab schließlich den Schießbefehl. 84 Demonstrant*innen und fünf Sicherheitskräfte lagen tot auf der Straße, dazu kamen weit über 1.000 Verletzte. Das Ereignis, das auch nachhaltigen literarischen Niederschlag fand, radikalisierte die Innenpolitik zusätzlich.