1919: Beginn der Kunstrückgabe nach dem Ersten Weltkrieg
Forderungen in Bezug auf die Bestände staatlicher Sammlungen und Museen
Am Ende des Ersten Weltkriegs und der Auflösung der Habsburger-Monarchie war der Verbleib der in Wien gesammelten Kunstschätze der Monarchie und des Hauses Habsburg-Lothringen Gegenstand von Rückgabeforderungen der Siegermächte oder der Nachfolgestaaten. Aufgrund der zunächst unklaren Besitzverhältnisse verwaltete die Republik Deutschösterreich dieses Erbe bis zur Unterfertigung des Vertrags von St. Germain am 10. September 1919. Während die Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und Frankreich keinerlei Ansprüche an Österreich stellten (etwa als Reparation), waren beispielsweise die Forderungen Italiens umfangreich. Im Prinzip sollte über Kulturgüter verhandelt werden, die von Österreich aus den besetzten Teilen Italiens oder aus den von Italien im Laufe des Krieges eingenommenen Gebieten beim Rückzug der Habsburgerarmee nach Wien transportiert worden waren. Italien nahm die Bestimmungen auch zum Anlass, Kunst- und Kulturgüter zurückzufordern, deren Ausfuhr schon vor dem Ersten Weltkrieg aus dem nunmehrige italienische (Staats)gebiet in Richtung Wien erfolgt war.
Die rechtliche Klärung dieser Ansprüche sowie jene Belgiens, Polens und der Tschechoslowakei durch ein Drei-Juristen-Komitee wurde in den Artikeln 195 und 196 des Vertrags von St. Germain festgeschrieben. Im Falle der Hofbibliothek/Nationalbibliothek ging es beispielsweise unter anderem um 45 Handschriften aus der ehemals fürstbischöflichen Bibliothek in Trient, die 1806 aufgrund von Zentralisierungstendenzen nach Wien gelangt waren. Italien hatte diese nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, als das Trentino Teil Italiens geworden war, aus der Nationalbibliothek entfernt.