Die Bundes-Verfassungsnovelle 1929 brachte eine Machtverschiebung vom Parlament zum Bundespräsidenten und zur Bundesregierung.
Die sich verschärfenden innenpolitischen Ereignisse führten zu Auseinandersetzungen über die künftige Ausübung der politischen Macht in Österreich und ließen die Rufe nach einer Reform der bisher radikal parlamentarischen Republik in Richtung starker Regierung und Führung lauter werden. Die politischen Parteien standen sich mehr denn je kompromisslos gegenüber, blockierten einander zunehmend in ihrer parlamentarischen Arbeit und bauten ihre militärischen Schutzverbände aus. Die Regierung von Bundeskanzler Johannes Schober brachte am 18. Oktober 1929 einen Entwurf einer Verfassungsnovelle ein, das Verfassungsgesetz wurde am 7. Dezember 1929 als Ergebnis eines Kompromisses beschlossen: Die Sozialdemokratie konnte im Großen und Ganzen die Stellung Wiens verteidigen, machte aber in allen anderen Fragen weitgehende Zugeständnisse.
Das Staatsoberhaupt, das nicht mehr von der Bundesversammlung, sondern vom Volk direkt für sechs Jahre gewählt wird, hat nun den Oberbefehl über das Bundesheer, kann den Nationalrat einberufen und auflösen, die Regierung ernennen und sie entlassen. Außerhalb der Sitzungsperioden des Parlaments steht ihm ein sehr beschränktes Notverordnungsrecht zu.
Aktive Politiker wurden als Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs ausgeschlossen und mussten durch juristische Fachleute ersetzt werden. Das Ernennungsrecht des Parlaments für die Richter wurde erheblich eingeschränkt und z. T. auf den Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung übertragen.
Die Bundeskompetenzen wurden in einigen Bereichen nicht unerheblich erweitert, vor allem durch die Übertragung der Angelegenheiten der Sicherheitspolizei auf den Bund.