1972: Demo mit Performance für die Freigabe der Abtreibung
Protestaktion auf der Mariahilfer Straße
In den 1970er Jahren wurde das österreichische Strafrecht einer fundamentalen Reformierung unterzogen: Diese baute auf einem jahrzehntelangen Diskussionsprozess auf, der allerdings erst in den 1960er Jahren eine starke Politisierung erfuhr. Im Zentrum der Aufmerksamkeit standen vor allem Themen, die moralische Vorstellungen berührten. Mit der Kleinen Strafrechtsreform (Strafrechtsänderungsgesetz 1971 BGBl. 273/1971) wurden etwa Ehestörung, Ehebruch in Teilen sowie homosexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen entkriminalisiert.
Für mediales Aufsehen und breite Berichterstattung sorgte am 9. Dezember 1972 eine Kunstaktion als Teil einer großen Demonstration gegen das strafrechtliche Verbot von Abtreibung. In einem hölzernen „Schandkarren“ und in ein Sträflingsgewand gekleidet, ließ sich die Aktionskünstlerin Erika Mis von als Arzt, Priester und Richter kostümierten Personen durch die Wiener Mariahilfer Straße ziehen. Mit einer Axt zerschlug sie schließlich die Gitterstäbe des Käfigs.
Veranstalter*innen der Demonstration waren das von SPÖ-Frauen getragene Aktionskomitee zur Abschaffung des § 144 und die ein Monat zuvor gegründete Aktion Unabhängiger Frauen (AUF), mit der die radikale autonome Frauenbewegung in Österreich ihren Anfang nahm.
Das politische und weiterhin oft spektakuläre Engagement zur strafrechtlichen Freigabe der Abtreibung – von feministischen Gruppen auch unter dem Slogan „Mein Bauch gehört mir“ vorangetrieben – war letztlich nur teilweise erfolgreich. Am 1. Jänner 1975 trat die „Fristenlösung“ in Kraft.