1973: Große Strafrechtsreform
Strafen zum Zweck der Prävention statt der Vergeltung
In den 1970er Jahren wurde das österreichische Strafrecht einer fundamentalen Reformierung unterzogen: Diese baute auf einem jahrzehntelangen Diskussionsprozess auf, der allerdings erst in den 1960er Jahren eine starke Politisierung erfuhr. Im Zentrum der Aufmerksamkeit standen vor allem Themen, die moralische Vorstellungen berührten. Mit der Kleinen Strafrechtsreform (Strafrechtsänderungsgesetz 1971 BGBl. 273/1971) wurden etwa Ehestörung, Ehebruch in Teilen sowie homosexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen entkriminalisiert.
Die Große Strafrechtsreform von 1973, die am 1. Jänner 1975 in Kraft trat, wurde insbesondere in Bezug auf die im Gesetz vorgesehene Fristenlösung, also der unter bestimmten Bedingungen geltenden Straffreiheit eines Schwangerschaftsabbruchs, heftig diskutiert. Insgesamt orientierte sich das neue Strafrecht nicht mehr am Vergeltungsprinzip, sondern verstärkt am Zweck des Strafens als Prävention. Darüber hinaus wurden unter dem Schlagwort „soziales Strafrecht“ u.a. früher mögliche Strafverschärfungen abgeschafft, die Bewährungshilfe als Maßnahme der Resozialisierung eingeführt und besondere Einrichtungen für „geistig abnorme RechtsbrecherInnen“ geschaffen.