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Nationalbank und Nationalteam = Nation

Der Triumph von Córdoba jährt sich am Freitag zum 40. Mal. Der Sieg von Klagenfurt ist noch keine drei Wochen alt. Wie uns der Fußball und die Deutschen bei unserer Identitätsbildung helfen Klagenfurt, 2. Juni 2018: „Wir haben immer gehört Córdoba, Córdoba, jetzt anscheinend heißt es Klagenfurt. Wir haben Córdoba zur Ruhe gebracht“, sagte Marko Arnautovic nach dem 2:1-Sieg der österreichischen Nationalmannschaft im Freundschaftsspiel gegen Deutschland.

Während die Boulevardpresse das Spiel als „zweites Córdoba“ feierte, konnten andere, so wie Arnautovic, nichts mehr davon hören. Der Vergleich hinkt allemal: 1978 bestand der Erfolg Österreichs vor allem darin, den sportlichen „Erzfeind“ aus einem internationalen Turnier gekickt zu haben. Dass man selbst keine Chance auf ein Weiterkommen mehr hatte, stand bereits zuvor fest – nach dem 3:2 war die WM in Argentinien aber für beide Mannschaften beendet. In Klagenfurt war allerdings ein Freundschaftsspiel zu sehen, dessen Ergebnis ohne Auswirkungen auf Tabellen und Turniere blieb.

In der Pampa

Auch aus weiteren, nachvollziehbaren Gründen maß man dem Spiel in der Pampa Argentiniens aus deutscher Sicht weniger Bedeutung zu. Peinlich war die Niederlage gegen den Fußballzwerg Österreich allemal und die vorzeitige Abreise aus Argentinien die eigentliche, vielzitierte „Schmach“. Von österreichischer Seite wurde so viel Gleichgültigkeit natürlich als piefkinesische Arroganz interpretiert. Dass die Deutschen ihre Niederlage aber auch sportlich sehen konnten, zeigt die Wahl von Hans Krankls 2:1 zum „Tor des Monats“ in der ARD.

Die Geschichte der fußballerischen Aufeinandertreffen wird gern als politische (Beziehungs-)Geschichte zwischen Deutschland und Österreich geschrieben, bis hin zur Interpretation Córdobas als „Rache“ für die Niederlage der habsburgischen Truppen bei Königgrätz. Das „Anschluss“- oder „Versöhnungsspiel“ am 3. April 1938 zwischen „Ostmark“ und „Altreich“ wiederum wurde als Demonstration der neuen Verbundenheit inszeniert und sollte der Propaganda für die Volksabstimmung am 10. April dienen. Österreich war bereits rechtlich Teil des Deutschen Reichs; die nachträgliche Legitimierung des „Anschlusses“ durch die Abstimmung der Österreicherinnen und Österreicher stand noch bevor. Nachträglich wurden die rot-weiß-rote Trikotwahl des Teams der „Ostmark“, der Torjubel von Kapitän Matthias Sindelar und der 2:0-Sieg seiner Mannschaft als widerständiges Verhalten interpretiert – was historisch allerdings schwer belegt werden kann.

War Österreich in den frühen 1930er-Jahren als „Wunderteam“ fußballerisch überlegen, sieht die Bilanz seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts für Deutschland deutlich besser aus. Sosehr aber die zahlreichen sportlichen Erfolge von Österreichern in Wintersportdisziplinen zu einer Stärkung der österreichischen Identität in der Zweiten Republik beitrugen, so wenige Siege brauchte es in die- ser Hinsicht im Fußball gegen Deutschland.

Auch Bundeskanzler Bruno Kreisky war sich sicher, woran die Emanzipation Österreichs als Nation abzulesen war, als er feststellte: „Österreich hat eine Nationalbank und eine Nationalmannschaft. Also ist es eine Nation.“ Aber nicht nur im kollektiven Gedächtnis der Österreicher hat der 21. Juni 1978 etwas hinterlassen: Im Wiener Bezirk Floridsdorf wurden 2009 zwei aneinandergrenzende Verkehrsflächen nach Córdoba und dem damaligen Radiokommentator Edi „I wer‘ narrisch“ Finger benannt. Und vor allem die „Helden“ von 1978 beschwören den „Mythos“ bis heute. Noch 2016 machte der zweifache Córdoba-Torschütze Hans Krankl in einem Interview klar: „Wir waren die beste Mannschaft für immer, das ist Fakt.“

Und Wien 1986?

Córdoba, Klagenfurt – dass es noch viele solcher Spiele geben werde, prophezeite Marko Arnautovic am 2. Juni. Dafür spricht, dass das österreichische Team an diesem Tag den Abschluss seiner längsten Siegesserie seit „Wunderteam“-Zeiten feiern konnte. Trotz des gewonnenen Spiels in Klagenfurt wird aber „Córdoba“ vermutlich weiterhin Synonym für einen unerwarteten, mit Genugtuung gewürzten Sieg – bestenfalls gegen Deutschland – bleiben. Oder spricht heute noch jemand von Wien 1986, dem vorletzten österreichischen Triumph (4:1!) gegen den „verfreundeten Nachbarn“?

 

 

Sophie Gerber (Jahrgang 1985) ist promovierte Historikerin, erfolgsverwöhnte deutsche Fußballfreundin, war von April 2017–Dezember 2018 Mitglied des kuratorischen Teams am Haus der Geschichte Österreich und ist seit 2019 Kustodin für den Bereich Haushaltstechnik im Technischen Museum Wien.

Veröffentlicht als „Kommentar der Anderen“ in Der Standard, Ausgabe 21.06.2018

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