1919: Gründung der Bundes- / Staatserziehungsanstalten
Ihre Entwicklung von fortschrittlicher Pädagogik bis zur politischen Radikalisierung
Die staatlichen Internate der Republik Österreich wurden nach dem Ersten Weltkrieg vom sozialistischen Bildungsreformer und Politiker Otto Glöckel gegründet – die zunächst als Staatserziehungsanstalten, später als Bundeserziehungsanstalten bezeichnet wurden. Sie entstanden aus den k.u.k-Kadettenschulen in Liebenau (Graz), Breitensee (Wien), Traiskirchen und der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt sowie dem ehemaligen Officierstöchter-Erziehungs-Institut in Hernals (Wien).
Diese ehemaligen Militärschulen wurden im Handumdrehen zu Zentren experimenteller Pädagogik umgewandelt. Sie waren von einem neuen und radikal linken Ethos durchdrungen und setzten eine innovative Vision von Bildung in die Praxis um: auf das Kind zentriertes Lernen, die Selbstverwaltung der Schüler*innen, eine ganzheitliche Berufsausbildung und die Betonung von Kunst und Handwerk. Vor allem ermöglichten sie vielen begabten Kindern aus benachteiligten Verhältnissen den Zugang zu einer breitgefächerten Ausbildung.
Die Schulen wurden bald von reformorientierten Pädagog*innen in der ganzen Welt bewundert, auch wenn sie in der Zwischenkriegszeit einige eher militaristische und konservative Verhaltenskodizes behielten. In den 1930er Jahren erwiesen sich die Schulen als anfällig für politische Radikalisierung, und einige Schüler*innen beteiligten sich am nationalsozialistischen Terror. Nach dem „Anschluss“ wurden die meisten Bundeserziehungsanstalten in nationalsozialistische Eliteschulen (Nationalpolitische Erziehungsanstalten) umgewandelt.