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Fotograf: Brühlmeyer, ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung

Warum das Radio nicht in Österreich erfunden wurde

Bequemlichkeit oder Intrige?

Vorausgeschickt sei gesagt, dass das Radio keineswegs die Erfindung einer einzigen Person oder Forscher*innengruppe war, sondern aus einer Reihe einzelner Erfindungen hervorgegangen ist, die jeweils aufeinander aufbauten.

 

Einer dieser Schritte wurde an der Technischen Hochschule Graz am 15. Juni 1904 mit einem Experiment gesetzt, das den Lauf der Geschichte in andere Bahnen hätte lenken können:

 

Otto Nußbaumer (1876–1930), seit 1901 Konstrukteur an der Lehrkanzel für allgemeine und technische Physik bei Professor Albert von Ettingshausen (1850–1932), gelang es wohl erstmals, Töne und Musik drahtlos über eine Distanz von 20 Metern zu übertragen. Etwas, an dem zu dieser Zeit weltweit zahlreiche bedeutende Wissenschafter*innen fieberhaft arbeiteten.[1]

 

Dieser später als bedeutend anerkannte „Meilenstein der drahtlosen Telegraphie“[2] (später: Telephonie) sorgte damals jedoch für wenig Aufsehen und geriet bald für über zwei Jahrzehnte in Vergessenheit. Es erschienen lediglich zwei kurze Artikel in deutschsprachigen Fachzeitschriften, mit denen Nußbaumer sich hatte sichern können, dass er der erste Wissenschafter war, der das Phänomen in einer Publikation beschrieb.[3] Drei Jahre später ließ Nussbaumer die Technische Hochschule Graz und seine akademische Karriere hinter sich und begann bald darauf eine Beamtenlaufbahn in Salzburg. Die weitere Arbeit an der Entwicklung des Radios überließ er anderen.

 

Als Mitte der 1920er Jahre das Radio seinen weltweiten Siegeszug bereits angetreten war und auch in Österreich das Radiofieber herrschte, hielt er im Rahmen eines lokalen Radioclubs diverse Vorträge über seine Versuche, die schließlich auch mediale Aufmerksamkeit erlangten. So erschien im September 1925 ein erster Artikel über Nußbaumers Leistung in der Zeitschrift „Radiowelt, Organ des Verbandes der Österreichischen Radioamateurclubs.“[4]

 

Nußbaumer erhielt in Folge in zahlreichen Zeitungsberichten späte Anerkennung, wobei gleich drei Bundesländer versuchten, den Erfinder als „Sohn der Heimat“ zu reklamieren – Tirol, von wo die Familie stammte, Graz, wo das Experiment durchgeführt worden war und Salzburg, das Nußbaumer als Wohnort auserkoren hatte.  In manchen Artikeln wurde er kurzerhand nachträglich zum Erfinder des Radios erklärt. Einer Feier zum Jubiläum des Experiments im Jahr 1929 konnte er selbst aus gesundheitlichen Gründen nur via Übertragung im Radio folgen und verstarb wenig später.

 

Diese doch etwas erstaunliche Geringschätzung eines erfolgreichen Experiments, das – diese Meinung vertrat man jedenfalls damals – bei weiterer Forschung Österreich zu einer bedeutenden Rolle in der Entwicklung des Radios hätte verhelfen können, löste vor allem in deutschnationalen Medien Empörung aus.  In mehreren Zeitungsberichten wurde ein „typisch österreichisches Erfinderschicksal“ beschworen und Spekulationen über die Hintergründe der Einstellung der Forschung führten zu wechselnden Schuldzuweisungen.

 

Gerne wird Ettingshausen, der Vorgesetze Nußbaumers, beschuldigt, ihn nicht bei der Beantragung von Forschungsgeldern oder der Einrichtung einer eigenen Lehrkanzel unterstützt zu haben. Diese Version der Geschichte geht auf eine Erzählung zurück, die 1931, ein Jahr nach Nußbaumers Tod, bei einer Gedenksteinlegung zu seinen Ehren in Salzburg geprägt wurde: Der christlichsoziale Nationalratsabgeordnete Richard Wollek , ein Cousin Nußbaumers, behauptete in seiner Rede, die im Radio übertragen und in zahlreichen österreichischen Zeitungen zitiert wurde, Folgendes:

 

„Nußbaumers Lehrer und Chef, Hofrat Ettinghausen (sic), war kurz nach dem geglückten wichtigen Experiment an das zuständige Ministerium in Wien herangetreten und hatte um eine Subvention von etwa 20.000 bis 30.000 Kronen gebeten, um die Versuche auf größerer Basis fortzuführen. Das Gesuch blieb ein Jahr lang unerledigt und wurde dann ablehnend beantwortet: Man betrachte diese Arbeit als eine Spielerei und sei daher nicht in der Lage, dem Ersuchen Folge zu leisten“[5]

 

Prof. Ettingshausen selbst nahm dazu in einer kleinen Notiz in der Tagespost (Graz) Stellung:

„In dem unter diesem Titel im Abendblatt der „Tagespost“ vom 24. November gebrachten Bericht über die Festfeier in Salzburg gestatte ich mir festzustellen, daß eine Bitte an die Regierung um Beihilfe von 20.000 bis 30.000 Kronen zum weiteren Ausbau der Versuche des Ingenieurs Otto Nußbaumer von meiner Seite nicht gerichtet worden ist; auch im Rektorat der Grazer Technischen Hochschule ist von einem solchen Ersuchen nichts bekannt. –  Prof. Albert Ettingshausen.“[6]

 

Kurz darauf folgte – wenig überraschend - auch eine Richtigstellung des Abgeordneten Wollek in der Grazer Tagespost, die sich auf Informationen von Ing. Hiltmann, Nußbaumers Nachfolger bei der Salzburger Landesregierung, stützte:

 

„Ungefähr ein Jahr bevor Ing. Nußbaumer die Technische Hochschule in Graz als Assistent verlassen mußte, hat Ing. Nußbaumer Herrn Hofrat Ing. Ettingshausen zu wiederholten Malen dringend gebeten, an das Unterrichtsministerium ein Subventionsgesuch um den Beitrag von 20.000 bis 30.000 Kronen zur Weiterführung der begonnenen Radioarbeiten einzureichen. Wiederholt fragte Ing. Nußbaumer Ing. Ettingshausen, ob das Subventionsgesuch nicht erledigt sei, zum letztenmal unmittelbar bevor er die Technische Hochschule als Assistent verließ. Bei dieser letzten Gelegenheit gab Herr Hofrat Ing. Ettingshausen meinem Vetter die Antwort: weder er noch das Rektorat seien in der Lage, sich mit diesen Spielereien – worunter die Arbeiten des Ing. Nußbaumer verstanden waren – zu befassen und ein Gesuch an das Unterrichtsministerium weiterzuleiten. Es ist richtig, daß mein verstorbener Vetter mir diese Einzelheiten nicht mitgeteilt hat und daß ich vielleicht infolgedessen in der Form eine irrtümliche Meinung hatte.“[7]

 

Albert von Ettingshausen blickte selbst auf eine erfolgreiche Forscherkarriere zurück. So hatte er etwa unter Ludwig Boltzmann geforscht oder mit dem späteren Nobelpreisträger Walther Nernst den Ettingshausen-Nernst-Effekt entdeckt. Seit seiner Berufung als Professor an der Technischen Hochschule Graz war es aber die Lehre, der er seine gesamte Aufmerksamkeit widmete. Ein gewisser wissenschaftlicher Neid ist daher nicht völlig ausgeschlossen. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass Ettingshausens Vortrag bei besagter Festfeier zu Ehren Nußbaumers den Titel „Zufall und Erfindung“ hatte.[8]

 

Widersprüchlich sind auch Berichte über die Gründe für die ausgebliebene Patentierung der Erfindung: So wurde Nußbaumer von Ettingshausen geraten, seine Erfindung zum Patent anzumelden, was dieser sich jedoch auf Grund seiner finanziellen Situation nicht leisten konnte. Überliefert sind aber auch die Bemühungen von Georg von Arco, Geschäftsführer der deutschen Firma Telefunken, den jungen Wissenschafter zur Mitarbeit bei der Patentierung und weiterer Forschung zu bewegen[9], worauf dieser nie einging. 1931 hieß es, Nußbaumer habe bewusst „alle einträglichen Angebote des Auslandes immer abgelehnt“[10].

 

Nußbaumers Tochter Berta Nußbaumer wiederum äußerte in den 1950-er Jahren die Meinung, ihr Vater wäre einfach nicht dazu bereit gewesen, die für eine Erfinderlaufbahn notwendigen Opfer zu bringen, vor allem da er sich zu dieser Zeit wohl selbst nicht der Bedeutung der eigenen Arbeit bewusst gewesen sei.[11]

 

In der neueren Literatur wird darauf hingewiesen, dass das Abbrechen der Versuche zur drahtlosen Übertragung von Sprache aus damaliger Sicht durchaus nachvollziehbar war, denn diese schien auf Grund der mangelnden Möglichkeiten zur Verschlüsselung oder Dokumentation für militärische oder verwaltungstechnische Zwecke unbrauchbar. Den Nutzen als Unterhaltungsmedium hatte damals wohl kaum noch jemand im Sinn.[12] Und eins waren wohl weder Nußbaumer noch Ettingshausen oder gar das Unterrichtsministerium: Visionäre.

 

 

[1] 25 Jahre drahtlose Telephonie, in: Radiowelt 6/23 (1929), 711–713, zitiert nach Theodor Venus, Die Lösung des Problems der drahtlosen Übertragung von Tönen, in: Theodor Venus/Harald Waitzbauer/Christine Schweinöster, Otto Nußbaumer. Der Salzburger Radiopionier, Salzburg 1990, 43.

[2] Klaus Höllbacher, Otto Nußbaumer. Konstrukteur und Rundfunkpionier, in: Josef W. Wohinz (Hg.), Die Technik in Graz. Vom Joanneum zur Erzherzog-Johann-Universität, Graz/Wien/Köln 2002, 147.

[3] Klaus Höllbacher, Albert von Ettingshausen (1850 – 1932), unveröffentlichte Dissertation, Karl-Franzens-Universität Graz 1994, 56.

[4] Harald Waitzbauer, Die Jahre in Salzburg, in: Theodor Venus/Harald Waitzbauer/Christine Schweinöster, Otto Nußbaumer. Der Salzburger Radiopionier, Salzburg 1990, 66.

[5] Salzburger Chronik, 23.11.1931, 6

[6] Tagespost Graz, 26.11.1931 (Morgenblatt), S. 5

[7] Tagespost Graz, 4.12.1931 (Morgenblatt), S. 5

[8] Grazer Volksblatt, 15.06.1929, S. 3.

[9] Theodor Venus, Die Lösung des Problems der drahtlosen Übertragung von Tönen, in: Theodor Venus/Harald Waitzbauer/Christine Schweinöster, Otto Nußbaumer. Der Salzburger Radiopionier, Salzburg 1990, 44f.

[10] Tiroler Anzeiger, 3.12.1931, S. 4

[11] Brief von Dr. Berta Nußbaumer an Wilma Mothwurf v. 22.06.1954 zitiert nach: Theodor Venus, Die Lösung des Problems der drahtlosen Übertragung von Tönen, in: Theodor Venus/Harald Waitzbauer/Christine Schweinöster, Otto Nußbaumer. Der Salzburger Radiopionier, Salzburg 1990, 44.

[12] Helmut Jäger, Otto Nußbaumer – ein Radiopionier. Über seine Experimente zur drahtlosen Übertragung von Musik, in: Karl Acham (Hg.), Naturwissenschaft, Medizin und Technik aus Graz. Entdeckungen und Erfindungen aus fünf Jahrhunderten: vom „Mysterium cosmographicum“ bis zur direkten Hirn-Herz-Kommunikation, Wien/Köln/Weimar 2007, 226f.

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