1939: Der nationalsozialistische „Deutsche Klub“ wird von der NS-Herrschaft aufgelöst
Viele Klubmitglieder machen Karriere im NS-Staat
In der Vorbereitung der NS-Machtübernahme spielten die Funktionäre eines Vereins eine große Rolle, der seinen Sitz sogar in der Hofburg hatte: Der „Deutsche Klub“ sollte die Unterschiede zwischen den deutschnationalen Burschenschaften überbrücken. Im Austrofaschismus war er ein wichtiges Sammelbecken von intellektuellen Nationalsozialisten, deren Verein aufgrund guter Verbindungen nicht dauerhaft verboten wurde.
Tatsächlich stiegen Mitglieder des Vereins nach der deutschen Machtübernahme nicht nur in zahlreiche Spitzenpositionen auf. Etliche von ihnen spielten auch bei den in Wien besonders rasch und skrupellos durchgeführten Arisierungen eine wichtige Rolle.
Dennoch machte sich im „Deutschen Klub“ in den ersten Monaten nach dem „Anschluss“ eine gewisse Ernüchterung breit. Man sorgte sich, dass aufgrund der Gleichschaltung alles Österreichische verlorengehen würde und dass die Führungsrolle der Klubmitglieder sowie das Weiterbestehen des Klubs gefährdet sein könnten. Zunächst konnte freilich Reichsstatthalter Arthur Seyß-Inquart seine schützende Hand über den Verein halten. Doch mit dem Inkrafttreten des Ostmarkgesetzes am 1. Mai 1939 gingen seine Befugnisse auf Josef Bürckel über, der bis dahin „Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs“ und ein erklärter Gegner Seyß-Inquarts war.
Im Rahmen der „Gleichschaltung“ nach dem „Anschluss“ wurde die Struktur an Vereinen zerschlagen und linientreue Vereine in die NS-Organisationen überführt. Keine zwei Wochen nachdem Seyß-Inquart seine Funktion verloren hatte, verfügte Bürckel die Auflösung des „Deutschen Klubs“. Was dann folgte, war ein kompliziertes Hin und Her an Unterredungen und Einsprüchen, um die Auflösung des Vereins ein zweites Mal abzuwenden. Seitens der Klubleitung wurde man nicht müde, die Verdienste des Vereins um die illegale NSDAP vor 1938 hervorzuheben und zu betonen, dass 40 bis 50 Prozent der Mitglieder bei der Partei seien. (Tatsächlich waren es nur knapp 30 Prozent.) Die Argumente und Bitten blieben ungehört: So wie die meisten Vereine Österreichs wurde auch der „Deutsche Klub“ aufgelöst, sein Vermögen ging an die Gauleitung Wien.
Doch auch nach dem 21. Oktober 1939, dem offiziellen Auflösungsdatum, gingen die Interventionen bei den höchsten Stellen weiter. Eine besonders einflussreiche kam vom Spitzenjuristen Egbert Mannlicher, selbst einige Zeit im Vorstand des Vereins tätig und nach dem „Anschluss“ Referent im Reichsministerium des Innern. Mannlicher, der übrigens 1930 das Große Ehrenzeichen und 1970 das Große goldene Ehrenzeichen jeweils für Verdienste um die Republik Österreich erhielt, beklagte im Herbst 1939, dass die Auflösung des Vereins eine „schwere Kränkung“ des „großdeutsch und nationalsozialistisch gesinnten Bürgertums in der Ostmark“ darstelle, das er im Rückblick als den „wesentlichen Träger der nationalsozialistischen Bewegung“ in Österreich sah.
In Berlin holte man deshalb die Einschätzung der Gauleitung Wien ein, die zwar einen „hervorragenden Einsatz seiner Mitglieder in den Verbotsjahren“ attestierte, aber das Fehlen des „sozialistischen Elements“ im „Deutschen Klub“ bemängelte. Stattdessen hätte der Klub dort versucht, den Nationalsozialismus „in bürgerliche Bahnen zu drängen“ und sei im Begriff gewesen, „eine für die politische Ruhe und Stabilität in Wien äußerst bedrohliche Nebenregierung zu werden“. Diese Unterlagen landeten im Februar 1940 bei Adolf Hitler, der höchstpersönlich entschied, dass es „bei den vollzogenen Maßnahmen verbleiben soll“.
Der politisch einflussreichste Verein Wiens in den 1930er Jahren verschwand damit von der Bildfläche. An den weiteren steilen NS-Karrieren vieler seiner Mitglieder änderte das wenig: Die im Verein geknüpften Netzwerke der bürgerlichen Elite halfen natürlich nicht nur bis 1945, sondern auch danach, als es um die Entnazifizierung vieler belasteter Klubmitglieder ging. Die Auflösung des Klubs durch die NationalsozialistInnen diente – ähnlich wie bei den ebenfalls aufgelösten schlagenden Burschenschaften – nach dem Zweiten Weltkrieg als gute Ausrede: Man sei Opfer des NS-Regimes gewesen und nicht dessen österreichische Brutstätte.
1957 war diese Geschichte wieder so weit in Vergessenheit geraten, dass der Verein als „Neuer Klub“ neu gegründet werden konnte.
Weiterführende Links zum „Deutschen Klub“:
Mehr zur Geschichte des politisch einflussreichsten Vereins im Österreich der 1930er Jahre im Buch „Der ‚Deutsche Klub‘. Austro-Nazis in der Hofburg“.
Eine Leseprobe des Buches finden sie hier:
Dieser Text erschien in einer älteren und längeren Fassung in der Zeitschrift zeitgeschichte, 44/2 (2017), 78–97
Weiterführende Ressourcen finden sie HIER.