1938: Kult um Adolf Hitlers Geburtshaus
Umgang mit einem historisch belasteten Gebäude
Das aus dem 17. Jahrhundert stammende Gebäude war ein Gasthaus, als Alois und Klara Hitler 1889 dort Wohnraum anmieteten. Trotz der kurzen Zeit, die die Familie Hitler in dem Haus verbrachte, wurde es 1938, nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich, durch den Hitler-Vertrauten Martin Bormann für die NSDAP erworben. Das ehemalige Gasthaus wurde zu einer Kunstgalerie und Bücherei umgebaut – der hintere Gebäudeteil wurde abgerissen um Platz für Militärparaden zu schaffen. 1943 wurde der neue Komplex feierlich als das „Führer Geburtshaus“ eröffnet. Im Mai 1945 verhinderten vorrückende amerikanische Soldaten eine Sprengung des Hauses durch deutsche Soldaten und nutzten die Kunstgalerie für eine Ausstellung zu NS-Gräueltaten in Konzentrationslagern und besetzten Städten. Nach dem Krieg war das Haus für knapp zehn Jahre in der Verwaltung der Stadt Braunau, bis es 1954 durch einen Verkauf an die ehemaligen Wirtsleute wieder in Privatbesitz kam. Ab diesem Zeitpunkt wurde das Haus von der Stadt Braunau angemietet und für verschiedene Einrichtungen der Gemeinde genützt, unter anderem für die Stadtbibliothek, eine Bankfiliale und als Ausweichquartier der örtlichen Schule. Ab 1972 war die Republik Österreich die Hauptmieterin des Hauses und stellte dieses ab 1977 der Lebenshilfe Oberösterreich zur Verfügung, einem Verein, der sich für Menschen mit Behinderungen einsetzt.
Der Auszug der Lebenshilfe im September 2011 brachte die Diskussion um den Umgang mit dem nun leerstehenden Gebäude ins Rollen. Durch eine Maßnahme der Republik wurde die Eigentümerin des Hauses 2016 enteignet und das Haus in staatliches Eigentum übernommen, um uneingeschränkt über die Folgenutzung entscheiden zu können. Gleichzeitig wurde eine Kommission einberufen, die über den Umgang mit der Substanz beraten sollte. Sie empfahl den Erhalt des Gebäudes, allerdings eine architektonische Umgestaltung. Es folgte eine öffentliche, teils sehr emotional geführte Auseinandersetzung über die geplante Neugestaltung und Folgenutzung, wobei immer wieder auch ein Abriss des Gebäudes gefordert wurde. Diese geriet 2017 durch eine Klage dessen enteigneter Voreigentümerin vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorerst zum Stillstand. Anschließend wurde geklärt, ob eine dauerhafte bauliche Veränderung dem Denkmalschutz entspricht – diesen Status bekam das Haus, wie viele Gebäude in der unmittelbaren Umgebung, aufgrund seines Alters, nicht seiner zeithistorischen Bedeutung. Im Jahr 2021 wurde unter dem damals zuständigen Minister Wolfgang Peschorn beschlossen, das Gebäude architektonisch nach dem Vorbild des ursprünglichen Biedermeier-Hauses rückzubauen und eine Polizeistation darin zu eröffnen. Als Ziel wurde kommuniziert, jegliche neonazistische Handlungen im Umfeld zu verhindern. Nichtsdestotrotz wurde diese Entscheidung medial kontrovers diskutiert. Es gründeten sich mehrere zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich für einen reflektierten Umgang mit dem Gebäude aussprachen. In den Jahren 2022–2024 konnte das Haus der Geschichte Österreich in Kooperation mit dem Bundesministerium für Inneres die vielschichtige Geschichte des Gebäudes durch die Entnahme von Fassaden- und Bodenmuster, sowie mehrere Objekte, dokumentieren. Die Bandbreite an repräsentierten Verwendungskontexten und Zeitepochen stellen die komplexe Geschichte des Gebäudes dar.