1945: Österreichische Volksgerichte werden gebildet
Sondergerichtsbarkeit zur Ahndung von NS-Verbrechen
Österreichische Volksgerichte waren zwischen 1945 und 1955 als besondere Gerichte für die Ahndung von NS-Verbrechen zuständig. Zu deren Verfolgung wurden im August 1945 beim Landesgericht Wien und ab Anfang 1946 bei den Landesgerichten Graz, Linz und Innsbruck eigene Senate am jeweiligen Sitz der Oberlandesgerichte gebildet. Die Volksgerichte setzten sich aus drei Laienrichter*innen (Schöff*innen) und zwei Berufsrichtern zusammen. Die Verfahren wurden nach der österreichischen Strafprozessordnung geführt, Rechtsmittel waren aber außer Kraft gesetzt.
Die gesetzlichen Grundlagen der Volksgerichtsverfahren bildeten das am 8. Mai 1945 erlassene Gesetz zum Verbot der NSDAP ("Verbotsgesetz") und das am 26. Juni 1945 in Kraft gesetzte „Kriegsverbrechergesetz“. Zwischen 1945 und 1955 wurden in 136.829 Fällen Vorerhebungen bzw. Voruntersuchungen wegen des Verdachts nationalsozialistischer Verbrechen oder „Illegalität“ (Mitgliedschaft bei der NSDAP zur Zeit ihres Verbots 1933–1938) eingeleitet. 23.477 Urteile wurden gefällt, davon 13.607 Schuldsprüche. 43 Angeklagte wurden zum Tode, 29 Angeklagte zu lebenslänglichem Kerker und 269 Angeklagte zu Kerkerstrafen zwischen zehn und zwanzig Jahren verurteilt, 30 Todesurteile vollstreckt, 2 Verurteilte begingen vor der Vollstreckung Selbstmord.