#nachgefragt bei Reginald Vospernik von der slowenischen Volksgruppe
Wir haben #nachgefragt bei Reginald Vospernik:
Wie hat sich die Volksgruppe der Kärntner Slowen*innen entwickelt?
Wie war die Situation der Kärntner Slowen*innen während der NS-Zeit?
Warum wurde 1957 der zweisprachige Unterricht in Kärnten wieder abgeschafft?
Wie wird Mehrsprachigkeit in Kärnten heute aufgefasst?
Was wünschen Sie sich für die slowenische Volksgruppe?
Reginald Vospernik war von den 60er-Jahren bis 1976 im Rat der Kärntner Slowenen leitend aktiv und setzte seine Tätigkeit in der Folge auf europäischer Ebene fort. Zusätzlich publizierte er als Herausgeber und Autor rund um die Belange der slowenischen Volksgruppe in Kärnten und Österreich. Der studierte Slawist und Germanist unterrichtete am Bundesgymnasium für Slowenen in Klagenfurt und leitete dieses für mehr als zwei Jahrzehnte. Dazu lehrte er an der Pädagogischen Akademie sowie der Universität in Klagenfurt.
Mein Name ist Reginald Vospernik. Ich komme aus Klagenfurt, bin Kärntner Slowene,
Angehöriger einer von sechs Volksgruppen, die in Österreich offiziell anerkannt sind.
Wie hat sich die Volksgruppe der Kärntner Slowen*innen entwickelt?
Die Kärntner Slowenen sind eine Volksgruppe, die seit jeher viele Jahrhunderte hindurch in diesem Siedlungsgebiet siedeln, neben den deutschsprachigen Kärntnern. Sie waren einmal im Kronland der alten österreichisch-ungarischen Monarchie sogar ein Drittel der Bevölkerung Kärntens, sind dann aber im Laufe der Jahrhunderte geschrumpft. Und heute sind vielleicht Menschen, die Slowenisch sprechen, noch an die 15.000 bis 20.000 von ehemals 70.000/80.000. Das ist ein Schrumpfungsprozess, der natürlich der Volksgruppe sehr wehtut. Aber diesen Prozess teilen die Kärntner Slowenen eigentlich auch mit allen anderen österreichischen Volksgruppen, die amtlich anerkannt sind, also den Tschechen, Slowaken, Roma, Ungarn und den Burgenländischen Kroaten. Also diese Volksgruppen alle haben viel ihrer ehemaligen Quantität eingebüßt, ohne an Qualität verloren zu haben.
Wie war die Situation der Kärntner Slowen*innen während der NS-Zeit?
Ich war also 1937er Jahrgang, damals fünf Jahre alt, als wir vom Hof mussten und dann im Herbst 1945 dann wieder zurückkehren konnten. Der Hof war inzwischen besetzt natürlich. Hitler und Mussolini haben ein Abkommen getroffen, dass das Kanaltal italienisch werden muss. Das war ja Altkärnten, hat ja einst zu Österreich gehört und zu Kärnten auch. „Kärnten muss deutsch werden“ und das waren zwei Fliegen auf einen Schlag: Die Kanaltaler sind die dortigen Slowenen und Deutschsprachigen los und Kärnten ist die Slowenen los. Vertrieben worden sind an die 1.000. Also auf den Konskriptionslisten, die ja das sogenannte Ortsdreieck erstellt hat – das ist der Ortsgruppenleiter, der Bürgermeister und der Ortsbauernführer. Das waren alles Nazis, natürlich. Die haben alle Konskriptionslisten erstellt. Hitler in Deutschland konnte ja nicht wissen in Berlin, wen er da auszusiedeln hat. Ja, und zurückgekehrt sind alle, die noch am Leben waren. Viele haben ihr Leben in den Lagern gelassen, sind auch dort begraben.
Warum wurde 1957 der zweisprachige Unterricht in Kärnten wieder abgeschafft?
Da gab es ab dem Jahr 1945 eine verpflichtende, auf einem bestimmten Siedlungsgebiet errichtete, zweisprachige Volksschule. Das heißt, die Lehrer mussten theoretisch – praktisch kaum, aber theoretisch – in beiden Sprachen alle Gegenstände unterrichten. Dann gab es Proteste dagegen. Nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages sind dann die Heimatverbände aufgestanden, haben sich gegen eine sogenannte „Slowenienisierung“ Kärntens gewehrt und haben Proteststürme entfesselt, Schulstreiks organisiert. Und diese Schulstreiks waren insofern erfolgreich, als dann im Jahr 1957 der damalige Landeshauptmann Ferdinand Wedenig einen Erlass herausgegeben hat, der bestimmte, dass der zweisprachige Unterricht fällt. Und es gab eine enorme Abmeldewelle. Von den ca. 10.000 Schülern im zweisprachigen Bereich sind dann noch 1.200 geblieben, die angemeldet blieben. Und dann ist allmählich, nach den schwierigen 1970er Jahren, wo es noch schlimmer wurde mit dem Druck auf die Kärntner Slowenen und Sloweninnen, ist dann allmählich ein offeneres Klima entstanden in Kärnten, das spürbar dadurch war, dass die Anmeldungen wieder angestiegen sind.
Wie wird Mehrsprachigkeit in Kärnten heute aufgefasst?
Heute sind in diesem Bereich ca. 50% aller Schüler zum zweisprachigen Unterricht angemeldet. Was aber nicht heißt, muss ich sofort dazusagen, dass diese Schüler alle der slowenischen Volksgruppe entstammen. Es gibt viele Schüler, die deutschsprachige Eltern haben, die ihr Kind zum Slowenischunterricht anmelden, weil sie sehen und inzwischen einsehen gelernt haben, dass Zweisprachigkeit wertvoller ist als Einsprachigkeit. Und es ist heute an und für sich unmodern zu sagen „Zweisprachigkeit bringt nichts, wir wollen nur Deutsch.“ Das würde heute in der Form niemand mehr sagen, viele sich aber das immer noch denken.
Was wünschen Sie sich für die slowenische Volksgruppe?
Ja, zunächst einmal müssen alle, auf Punkt und Beistrich alle, aus dem Staatsvertrag verbrieften Rechte erfüllt werden. Es ist nur an drei Gerichtsbezirken möglich, Slowenisch als zusätzliche Sprache zu verwenden. Das scheint uns zu wenig zu sein. Die jetzige Justizministerin Alma Zadić plant eine Zusammenlegung der Gerichte, und in Zusammenhang mit dieser Zusammenlegung wünschen wir uns, dass auch die Bezirksgerichte von Klagenfurt und Villach die Möglichkeit haben, dass man dort zweisprachig Abhandlungen führen kann. Das ist einer der Wünsche. Im Elementar-Schulwesen gibt es Wünsche, die erfüllt werden können. Also ich würde sagen, eine Volksgruppe, die keine Wünsche mehr hat, besteht nicht mehr. Das hat mir übrigens ein Südtiroler gesagt. Eine Volksgruppe hat immer Erwartungen und Wünsche, schon deshalb, weil sich die Sache weiterentwickelt. Denken wir nur an das Kindergartenwesen oder an die Horte, an die Betreuung der Kleinsten. Das hat es alles zu Staatsvertragszeiten nicht gegeben. Das muss geregelt werden und das muss ein neues Gesetz in sein Radar nehmen, um es zu lösen. Und solche Wünsche gibt es immer wieder.