#nachgefragt bei Ingrid Konrad von der slowakischen Volksgruppe
Wir haben #nachgefragt bei Ingrid Konrad:
Wo leben die Angehörigen der slowakischen Volksgruppe hauptsächlich?
Welche Auswirkungen hatte die Gründung der Slowakei 1992 auf die Volksgruppe in Österreich?
Was hat Sie dazu motiviert für die Volksgruppe aktiv zu werden?
Was fordern Sie für die slowakische Volksgruppe?
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Volksgruppe?
Ingrid Konrad ist 1959 in der damaligen Tschechoslowakei geboren und lebt seit 1986 in Österreich. Studium der Architektur in Bratislava und Wien, gründete 1995 ihr eigenes Architekturbüro in Wien und Niederösterreich. In den Jahren 2011 bis 2022 war sie im Büro des Bürgermeisters als Chefstadtarchitektin der slowakischen Hauptstadt Bratislava tätig. Seit 1987 ist Ingrid Konrad in der slowakischen Volksgruppe aktiv. Seit der offiziellen Anerkennung als Volkgruppe 1993 ist Konrad Mitglied des Österreichisch-Slowakischen Kulturvereins – in verschiedenen Funktionen. Zusätzlich ist Konrad Stellvertretende Vorsitzende des Slowakischen Volksgruppenbeirats und Mitglied der Vorsitzenden- und Vorsitzendenstellvertretenden-Konferenz.
Ich heiße Ingrid Konrad und ich engagiere mich in der slowakischen Volksgruppe in Wien. Die Wiener Slowak*innen gehören schon traditionell zu dieser Stadt (in Slowakisch).
Wo leben die Angehörigen der slowakischen Volksgruppe hauptsächlich?
Die slowakische Volksgruppe, wie alle anderen fünf Volksgruppen, sind autochthone Volksgruppen. Unsere Volksgruppe ist bei der Anerkennung gebunden an Wien. Aber früher haben viele Slowaken am Marchfeld in Niederösterreich gelebt im ländlichen Raum. Und da sind aber jetzt im Moment sehr wenige, aber mehr Slowaken kommen nach der Eröffnung des Eisernen Vorhangs in 1989.
Welche Auswirkungen hatte die Gründung der Slowakei 1992 auf die Volksgruppe in Österreich?
Die slowakische Volksgruppe wurde im Jahr 1992 anerkannt. Das hatte mehrere Gründe. Es war schon die Gründung eines neuen Staates nach der geplanten Trennung der Tschechoslowakei damals voraussehbar. Seitdem ist die Slowakische Republik Teil Europas. Und ganz wichtig ist zu sagen, das war auch eine neue Chance für die Konstituierung der slowakischen Volksgruppe in Wien, weil bis dato wurde diese – ich sag nicht unsichtbar – aber war nicht anerkannt. Es war natürlich die geschlossene Grenze, der Eiserne Vorhang war zum großen Nachteil. Aber auch hier in Österreich war kein Verständnis und keine Anerkennung. Ich weiß das von der Geschichte vom Marchfeld zum Beispiel, wo eine Historikerin Emília Hrabovec erzählt, wie die Leute im Marchfeld nie Slowaken genannt wurden. Die wurden genannt entweder Kroboten, das war ein alter Begriff für Chorvaten/Kroaten oder dann Tschechen oder Tschechoslowaken. Als ich nach Wien gekommen bin in den 1980ern hat mir jeder gesagt, ich bin eine Tschechin, und ich habe dem entgegen kommen wollen. Das war für mich eine neue Erfahrung.
Was hat Sie dazu motiviert für die Volksgruppe aktiv zu werden?
Die eigenen Wurzeln, die eigene Muttersprache empfindet man erst, wenn man sein Land verlässt, wenn man in einem fremden Land ist. Man muss sich dann wirklich gut – im positivsten Sinne – äußern können, verteidigen können. Und da habe ich dann mit Freunden – slowakischen –, die ich da gefunden habe, haben wir auch einen Schulverein gegründet, Schulverein “Sova” (Eule) und wir haben begonnen, mit Kindern zu arbeiten. Wenn man dann so hört, dass immer wieder diese Vorurteile, weil die Kinder die Muttersprache Slowakisch haben, sprechen zum Beispiel anders “R”, ich auch, ja, das ist ein Mangel an Bildung, an Verständnis, und ich bin der Meinung, egal wo das ist, in Österreich oder woanders in Europa, in der Welt, das alles, was sehr klein ist – und man muss immer nachdenken, wie wertvoll diese kleinen Gruppen sind und wie die die Majoritätsgesellschaft bereichern können. Und ich bin wirklich da spezialisiert auf die Wirtschaft. Ich habe gesehen, wie nach dem Umbruch und nach der Öffnung der Grenze meine Landsleute in Wien, in Österreich wertvoll waren, weil die Österreicher*innen, die Firmen hinter dem ehemaligen Eisernen Vorhang gegründet haben und wollten expandieren, wie die diese Hilfe, diese zweisprachige bräuchten. Es ist eigentlich so selbstverständlich, dieser mitteleuropäische Raum ist unsere Heimat gemeinsam.
Was fordern Sie für die slowakische Volksgruppe?
Obwohl wir alle in Österreich sind und die Volksgruppen sind autochthon in unterschiedlichen Gebieten, gilt nicht, weil Schulrecht bezieht sich immer landesweit, also für Länder speziell, ist Wien anders. Und unsere Forderung ist, dass auch Schulen wie zum Beispiel Schule Komenský, wo auch viele slowakische Kinder jetzt beim Unterricht teilnehmen, dass diese die gleichen Rechte wie die Schulen in Burgenland zum Beispiel oder in Kärnten bei Slowenen haben. Die Bildung ist einer der wichtigsten bei Sprache und die Kinder tragen dann diese Identität weiter. Und uns ist ganz wichtig, auch einen wirtschaftlichen Nutzen für die Zukunft in Österreich aus dieser Zweisprachigkeit zu gewinnen, weil gerade autochthone Volksgruppen ihre Heimat quasi immer in den Grenzgebieten direkt zu Österreich haben. Und da ist diese Rolle der Zweisprachigkeit im Grenzgebiet ganz, ganz wichtig.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Volksgruppe?
Wir haben jetzt vielleicht mehr Slowak*innen, junge Leute in Wien als vor 10, 20 Jahren. Das ist so, wie das im 19. Jahrhundert war, wo die Slowak*innen gerne in Wien studiert haben zum Beispiel, und viele bleiben da. Es gibt viele gemischte Ehen. Es ist diese Freiheit, die ist wirklich zu genießen. Ich kenne ein Mädchen, das ist jetzt 16, und das hat mich angesprochen, dass sie erst jetzt draufgekommen ist, wie wichtig die Muttersprache ist und dass sie, dass sie eigentlich nicht vorbereitet war als Slowakin in einem österreichischen Gymnasium und konnte nicht dieses Selbstbewusstsein beweisen und sich wirklich dann dem stellen. Und das hat ihr gefehlt und das will sie jetzt ändern und das finde ich gut. Das ist ein gutes Resultat.