1974–1978: Proteste und Volksabstimmung gegen das Atomkraftwerk Zwentendorf
Österreich stimmt gegen Atomkraft
Seit 1969 wurde der Bau von Atomkraftwerken in Österreich nicht nur geplant, sondern auch durchgeführt. Die erste Anlage war im niederösterreichischen Zwentendorf bereits fertiggestellt, als sich ab 1974 Proteste verschärften – getragen von linken Protestgruppen und der ARGE Nein zu Zwentendorf um den Geologieprofessor Alexander Tollmann.
Als die Diskussion intensiver wurde, trat der damalige SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky stark für das AKW Zwentendorf ein und reagierte teilweise extrem aggressiv auf Proteste. Sein Versuch mit einzelnen ÖVP-Abgeordneten die Inbetriebnahme des fertig gebauten AKWs im Parlament zu beschließen, scheiterte aber und Kreisky setzte eine Volksabstimmung durch. Die ÖVP unter ihrem Obmann Josef Taus wechselte ihre Zielsetzungen und wurde über Nacht zur Anti-AKW-Partei. Als dann Kreisky im Zuge der Abstimmungsdebatten signalisierte, vielleicht im Falle einer Niederlage zurückzutreten, wurden AnhängerInnen der ÖVP besonders aktiv gegen Zwentendorf (Kreisky: „Ich möchte nicht sagen, dass ich sicher nicht zurücktrete. Ich möchte aber auch nicht sagen, dass mich das unbeeinflusst ließe“). Auch einzelne SPÖ-Funktionäre wandten sich gegen das AKW und die Boulevardzeitung Kronen Zeitung engagierte sich auf Seiten der KernkraftwerksgegnerInnen.
Das Ergebnis der Volksabstimmung am 5. November 1978, bei der 1,606.308 Stimmberechtigte teilnahmen, war knapp: 50,47% entschieden sich gegen das AKW Zwentendorf, 49,33% dafür, bei einer Wahlbeteiligung von 64%. 30.000 Stimmen gaben letztlich den Ausschlag.
Während Kreisky das Votum vorerst akzeptierte, sondierte er selbst und auch die SPÖ-Nachfolgeregierung noch eine etwaige Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf. Mit dem Super-Gau von Tschernobyl 1986 endeten aber alle diese Pläne.
Zwentendorf steht auch für das Ende der langen Phase des Aufbaus der Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg, in der auf Umweltfragen und öffentliche Meinung keine Rücksicht genommen wurde. Gemeinsam mit den Protesten gegen den Bau eines Wasserkraftwerks bei Hainburg 1984 stützten diese Diskussionen das Entstehen einer Grünen Partei, die dann erstmals im November 1986 als „Die Grüne Alternative – Liste Meissner-Blau“ mit knapp über fünf Prozent den Einzug ins Parlament schaffte.