Nationalsozialisten stürmten am 25. Juli 1934 die Radiostudios der RAVAG, um eine Sensation bekannt zu geben: Die österreichische Regierung sei zurückgetreten. Diese frei erfundene Meldung war das Signal für einen nationalsozialistischen Putsch, der jedoch bald scheiterte. Dessen zweites Ziel war das Bundeskanzleramt, wo NS-Funktionäre den Kanzler Engelbert Dollfuß ermordeten.
Am nächsten Tag berichtete Walter Adam, PropagandaFunktionär der österreichischen Diktatur, im Radio über die Ereignisse. Sein unaufgeregter Sprechstil sollte vermitteln, dass die Regierung bereits alles unter Kontrolle hätte – was zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht der Fall war.
Beide Seiten stellten die Getöteten als Märtyrer dar. Die Propaganda der Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur gab dem Tod von Kanzler Dollfuß eine religiöse Bedeutung: Bei der Einweihung des „Heldendenkmals“ (im Äußeren Burgtor) am Wiener Heldenplatz sprach Josef Seifert, Landesleiter der Einheitspartei der Diktatur. Er stellte Dollfuß zudem in die Reihe großer Habsburger, die ihr Leben für Österreich „geopfert“ hätten.
Walter Adam über den nationalsozialistischen Putsch in den Büros der „RAVAG“, 0:43 min., 26.7.1934, Österreichischer Rundfunk ORF
Am 25. Juli hatten sich etwa 300 Aufrührer in einer Turnhalle heimlich mit Waffen versehen, um einen Überfall auf das Bundeskanzleramt und auf die Österreichische Radio-Verkehrs AG [RAVAG] durchzuführen.
Die Lokale der RAVAG wurden von der Polizei nach einem Feuergefecht erstürmt, und die Verwüstungen in den Studios und in den technischen Betriebsräumen lassen erkennen, mit welcher Hartnäckigkeit die eingedrungenen Verbrecher sich zur Wehr gesetzt hatten. Zerstörte Verstärkeranlagen, durchschossene Apparate, von Handgranaten zerrissene Wände, verkohlte Stoffreste und zertrümmerte Einrichtungsgegenstände zeugen von der Erbitterung des Kampfes. Gleichzeitig war ein anderer, größerer Trupp am Ballhausplatz durch einen Handstreich bis in das Arbeitszimmer des Bundeskanzlers gelangt und hatte ihn, der wehrlos und waffenlos den Eindringlingen gegenüberstand, durch zwei Schüsse niedergestreckt.
Josef Seifert mit einer Rede zur Einweihung des „Heldendenkmals“ am Heldenplatz, Radiosender RAVAG, 1:16 min., 8.9.1934, Österreichischer Rundfunk ORF
Drei große Männer starben für Österreich den Märtyrertod. Als Erster Erzherzog Franz Ferdinand, ermordet in Sarajevo. Kaiser Karl, gestorben in der Verbannung auf Madeira. Bundeskanzler Doktor Engelbert Dollfuß, ermordet in Wien. Sie alle mussten sterben, weil sie Österreich frei und glücklich machen wollten. Doch sie sind nicht umsonst gefallen. Ihr Vermächtnis lebt in uns fort und ist uns heilig. So wie Bundeskanzler Dollfuß noch 24 Stunden vor seinem Tode den Offizieren des Landesverteidigungsministeriums die Losung gab: Direktion gradaus, Österreich!, schallt als unser Feldruf heute in lichte Höhen zurück: Direktion gradaus, Österreich auf immerdar!