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Töchtersöhne im hymnischen Genderbender

Im Jahr 2012 war es endlich soweit: nach langjährigem Einsatz schaffte Maria Rauch-Kallat eine Änderung der Bundeshymne im Nationalrat durchzusetzen. In der offiziellen Version soll seither anstatt „Heimat bist du großer Söhne“ gesungen werden „Heimat bist du großer Töchter und Söhne“, zudem wurden die „Bruderchöre“ zu „Jubelchören“ gemacht und medial nannte sich das Ganze: „Vertöchterung“ der Hymne. Natürlich waren da die Gegenstimmen aus mäßig begeisterten Gefilden, aus dem BZÖ tönte es zum Beispiel: „Wir singen, was wir wollen.“ Die Ironie dieser Aussage scheint jedoch niemand bemerkt zu haben, singen ja ohnedies alle schon immer was sie wollen, insbesondere Töchter in die offizielle Version einzuschmuggeln war 1995 bereits Sandra Kreisler im ORF gelungen. Für Tini Kainraths vertöchterte Hymne – Sie verzeihen, wenn ich bei diesem blumigen Ausdruck bleibe - im Fußballstadion 2002 entschuldigte man sich noch, denn man war davon ausgegangen, dass die offizielle Version gesungen würde. Davon abgesehen, dass sie eben nicht offiziell war, schien sich an der Version jedoch niemand gröber zu stoßen. 2005 hatte Rauch-Kallat allerdings schon ihren Feldzug begonnen und die Töchter, von den Sängerknaben besungen, fielen zumindest durch die aufkeimende öffentliche Diskussion auf. Neu ist das Ganze also ganz und gar nicht, zumal das Thema bereits in den Siebzigern und Achtzigern aufkam, aber als wenig relevant abgetan wurde.

 

Nun waren die Töchter endlich in der Hymne angekommen und schon folgten die ersten Skandälchen, denn – oh Bruderchöre! - tat sich ein Rampenlichtmoment politischer Natur für Andreas Gabalier auf, der beim Formel 1 Grand Prix in Spielberg die alte und damit ebenso wenig offizielle Version der Hymne zum Besten gab, wie es Kreisler und Kainrath getan hatten.

Natürlich folgte die große Empörung auf dem Fuße, denn im Land der Empörten, zukunftsreich, wird so etwas nun gerne online ausgetragen und idealtypischerweise musste nun jeder interviewt werden, der auch nur entfernt das Bedürfnis hatte sich zu äußern. Eine Grünen-Gemeinderätin meinte gar, dass es respektlos gegenüber den Frauen sei, die diesen Text erkämpft hatten, wie es mit dem Respekt gegenüber den großen Töchtern aussah, kommentierte sie nicht, unterstellte Gabalier jedoch, den Text wissentlich falsch gesungen zu haben. Hunderprozentig sicher scheint das, bedenkt man die Abfolge der Ereignisse, nicht, denn es wäre doch auch möglich, dass Gabalier den Text einfach so gesungen hat, wie er ihn in der Volksschule gelernt hat und nach dem Faux-Pas darauf hingewiesen wurde, dass er nun eben Farbe bekennen müsse. Ich kann mir durchaus gut vorstellen, dass ihm jemand den Arm auf die Schulter gelegt hat und gesagt hat: Sagst halt, es tut dir leid, oder sagst halt, wir brauchen eine Volksabstimmung. Zweiteres hat Gabalier dann getan, ersteres hätte ja auch wirklich nicht zu seinem Image gepasst. Unwissenheit jedenfalls schützt vor Shitstorm nicht: Während im Internet von den paar Prozent diskussionsaffinen Töchtern und Söhnen also um Gründe für ihre jeweilige Lieblingsversion unter beidseitigem hühnerhaften Geflatter flott dahin debattiert wurde, konnte man im übrigen Österreich ganz leise hören: Hast seit frühen Dichtungstagen/zum Augenrollen beigetragen.

Jedoch braucht man nicht zu glauben, dass der Marketinggag aus dem Gabalierstüberl damit ein Ende gefunden hätte: Im Jahre 2017 hält ihn die Medienwelt für geläutert, weil er im Selfievideo in Anbetracht der Frauen Fußball-EM verkündete: "Heimat seid's ihr großer Töchter. Des muss man jetzt wirklich einmal sagen." Süß, denkt sich da das eine oder andere frauenrechtlich geschulte Ohr, gelungen, denkt sich der Medienwissenschaftler, denn einen Hype sollte man nicht zu früh gehen lassen.

Der Erfolg der Damen mit dem runden Leder hat die Tagespresse sogar dazu veranlasst von einer Streichung der Söhne aus der Hymne zu sprechen, man hätte ja schließlich auch noch Schwestern, Mütter, Cousinen, Schwägerinnen, Großcousinen, Austauschstudentinnen und heimliche Geliebte. Denn für Satire war die Hymne schon in ihren Geburtswehen gut, sollen doch schon Paula Preradovićs Söhne als sie von der Annahme ihrer Hymne erfuhr, das Land der Erbsen, Land der Bohnen besungen haben.

Aus feministischer Sicht ist die Urheberschaft der testosteronlastigen Erstversion ohnehin problematisch, denn in das Werk einer Frau zu pfuschen ist dann doch nicht ohne wenigstens ein bisschen Bauchweh zu bewerkstelligen. Der Dekonstruktivismus jedoch, der fordert die Realität durch das Ändern der Sprache zu ändern kann auf solch winzige Details keine Rücksicht nehmen, auch wenn schon zu Beginn der Debatte die Frage im Raum stand, ob die Textänderung denn Frauen auch im realen Leben helfe. Dafür ist es nach wie vor schwierig Belege zu finden. Nach dem Motto „hilft‘s nichts schadet‘s nicht“ wird von der Riege der Textkriegerinnen aber verkündet: Das Wort Töchter sollte eigentlich niemandem weh tun!

Das mag inhaltlich natürlich korrekt sein, aber wie aus der Kunst richtig bemerkt wurde: Da ist einfach eine Silbe zuviel im Metrum und gesungen hört man schließlich doch nur Töchtersöhne. Ein veralteter Begriff, der die Söhne der Töchter, also männliche Enkel, geboren von der leiblichen Tochter, bezeichnen würde. Dass die neue Version daher allen Lehrkräften, die Volksschulkindern den Text näherbringen muss, einen unangenehmen Hüpfer in der Brust erleiden lässt, denn ein Metrum ist ein Metrum ist ein Metrum, wird gerne außer Acht gelassen. Ästhetisch ist das ganze also nicht gerade, aber wer braucht auch die Assoziation eines schönen Geschlechts? Einen Wettbewerb zur Neudichtung des Gesamttextes gab es bisher dennoch nicht.

Im Lichte moderner Debatten ist der erste Gedanke bei Töchtersöhnen jedenfalls kaum einer, der mit alten Rechtstexten in Verbindung gebracht wird, sondern wirkt fast wie eine Anspielung auf Transgender-Diskussionsthemen und vielleicht sollten wir einfach die Töchtersöhne als solche hinnehmen, denn alles andere würde noch komplizierter.

Sogar eine Vorlage des parodistischen Textes von Drahdiwaberl von 1979 zeigt, wie schwierig die Umdichtung des vorhandenen ist: Heimat bist du großer Söhne/Heimat bist du großer Töchter/Zusatzvers der Frauenrechtler.

Nur blöd eben, dass es heute FrauenrechtlerInnen, oder Frauenrechtler*nnen oder ähnliches heißen müsste, auch wenn unklar ist, wie das denn dann zu singen sei.

Nachdem das Fass nun eben schon einmal offen sei, könne man da gewiss auch endlich über die Europahymne reden, wo Geschwister leider auch nicht kompatibel ist mit dem Versmaß von Alle Menschen werden Brüder. Schließlich ist es nicht so, als hätte das Fass jemals einen Boden gehabt.

Langweilig wird es zumindest nicht und eines Tages dürfen wir das alles vielleicht so sehen, wie nur zu vermuten ist, dass Paula Preradović es gerne gehabt hätte: Klar sind da Brüderchöre! Wieso auch nicht? Sie konnte sich offenbar damit identifizieren. Schließlich kann es neben Töchtersöhnen auch Sohnestöchter geben und jeder der will, kann ein Bruder sein. Eine große Tochter wie Preradović  ließ sich von solchen Kleinigkeiten nicht aufhalten. Sollte man ihn je wieder einladen, singt vielleicht Gabalier einmal nur von Töchtern, denn eines wurde ja bewiesen: In Österreich singt jeder was er will.

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