1945/1955: Zweimal Begeisterung und zweimal „Befreiung“
Die Alliierten (USA, Frankreich, Großbritannien und Sowjetunion) veranstalteten eine „Abschiedsparade“, als sie Österreich nach zehn Jahren verließen. Der Reporter spricht bei diesem damals zentralen Ereignis von „zehn Jahren Unfreiheit“. Die Unfreiheit davor, während der NS-Terrorherrschaft und der Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur, bleibt ausgeblendet.
Die Aufführung des Radetzky-Marsches bildet den Höhepunkt (als Musik zu „Österreich ist wieder frei“) – ob die Reportage hier geschnitten wurde, ist unklar. Der Marsch aus der Habsburgermonarchie wird umgedeutet zum Symbol der „neuen Freiheit“ Österreichs.
Ganz anders klingt die Berichterstattung über eine britische Militärparade zehn Jahre früher, zum Sieg über den Nationalsozialismus 1945. Hier ist Jubel der Grazer Bevölkerung sowohl bei „Befreiung“ als auch bei „Besatzung“ zu hören. Der Kommentator bemüht sich, diese Begeisterung über das Radio weiterzugeben.
General Richard McCreery beim Einmarsch britischer Truppen in Graz, Radiosender Rot-Weiß-Rot, 1:32 min., 24.7.1945, Österreichischer Rundfunk ORF
General: Now, we have come here as part of the Allied plan for the military occupation of Europe.
Übersetzer/Interpreter: Wir sind hier gekommen als Teil des Planes für die allgemeine Besetzung für Europas [sic].
[Jubel/Cheering]
General: You will find your district [inaudible] by a large number of British soldiers.
Übersetzer/Interpreter: Ihr Bezirk wird von vielen britischen Truppen besetzt sein.
[Jubel und Applaus/Cheering and applauding] General: These soldiers have a threefold task.
Übersetzer/Interpreter: Diese Truppen haben dreierlei Aufgabe[n].
General: To maintain law and order and security in your district. Übersetzer/Interpreter: Die erste Aufgabe ist in dem Bezirk die Gesetz, Ordnung und Sicherheit zu unterhalten [sic]. [Applaus/Applauding]
Hellmuth Bock von der Abschiedsparade der alliierten Truppen in Wien, Radiosender Rot-Weiß-Rot, 1:31 min., 27.7.1955, Österreichische Mediathek/Technisches Museum Wien
Wir werden diesen Augenblick wohl nie vergessen. Und wir können nachempfinden, was auch dort drüben dem österreichischen Regierungschef in diesem Augenblick für Gedanken kamen. Wir können seine Gefühle verstehen, denn sie sind die Gefühle aller Österreicher. Zehn leidvolle Jahre der Besetzung sind zu Ende! Was man nach mehr als 250 Sitzungen über den österreichischen Staatsvertrag schon fast nicht mehr zu hoffen gewagt hatte, das ist Wirklichkeit geworden. In dieser, man darf sagen, historischen Minute ist es Wirklichkeit geworden: Österreich ist wieder frei!
[Musik: Radetzky-Marsch]