#nachgefragt bei Florian Wagner von Letzte Generation
Wir haben #nachgefragt bei Florian Wagner von Letzte Generation:
Wer sind „Letzte Generation“?
Was sind eure konkreten Forderungen?
Wie kam es zur Protestaktion im Kunstmuseum?
Welchen Zweck erfüllt Klimaprotest im Museum?
Wie habt ihr sichergestellt, dass das Kunstwerk keinen Schaden nimmt?
Welche Rolle haben Museen in alledem?
In ganz Europa nutzen Klimaaktivist*innen die Aura von Museumsobjekten und somit Museen als gesellschaftlich relevante Debattenräume: Sie kleben sich an Sockeln von Dinosauriern oder beschütten die Glasflächen vor berühmten Kunstwerken mit Flüssigkeiten. Ziel ist es, die öffentliche Aufmerksamkeit abseits von Statistiken auf die drängende Frage des Klimawandels zu lenken und politisches Handeln zu veranlassen. Aktivist*innen von Letzte Generation wurden zuletzt auch in Wiener Museen aktiv – mit ihren Klebe- oder Schüttaktionen ernten sie von manchen Seiten Anerkennung, aber auch jede Menge harsche Kritik.
Das Haus der Geschichte Österreich – im Bundesmuseengesetz als „Diskussionsforum“ definiert – greift die hohe Aktualität des Themas auf und fragt bei Florian Wagner von Letzte Generation nach, welche Aufgaben er für Museen, Kultur und Kunst im Herbeiführen von gesellschaftlichem Wandel sieht. Er spricht über seinen Aktivismus und darüber, was die Mitglieder von Letzte Generation motiviert und bewegt.
Wenn wir klimaneutral, ökologisch verträglich und gut leben wollen in Zukunft, dann brauchen wir völlig neue Ideen, und die können nur aus der Kunst kommen.
Mein Name ist Florian Wagner. Ich bin der Pressesprecher von Letzte Generation.
Wer sind „Letzte Generation“?
Also der Name „Letzte Generation“ kommt von einem Zitat von Barack Obama, der gesagt hat: Wir sind die erste Generation, die die Auswirkungen der Klimakatastrophe merkt und die letzte, die an der totalen Katastrophe, am Kollaps des Klimasystems noch etwas ändern kann.
Wir sind ein Zusammenschluss aus Bürgerinnen und Bürgern, die sich die Untätigkeit der Regierung und die Verdrängung dieser Krise nicht mehr gefallen lassen will. Und deswegen gehen wir in den zivilen Ungehorsam und machen einen friedlichen Widerstand gegen diese Politik der Verdrängung, der Ignorierung, die uns eben in den Klimakollaps führt.
Was sind eure konkreten Forderungen?
Also unsere konkreten Forderungen an die Regierung sind ein Tempolimit, eine Tempobeschränkung auf 100 km/h auf den Autobahnen. Das Umweltbundesamt hat berechnet, dass dadurch 400.000 Tonnen im Jahr eingespart werden könnten. Das sind ungefähr 2% der Gesamtemissionen im Verkehr in Österreich.
Zweite große Forderung ist ein Stopp aller neuen Bohrungen nach Öl und Gas in Österreich.
Wie kam es zur Protestaktion im Kunstmuseum?
Die Aktion im Leopold Museum, wo ich diese ölartige Flüssigkeit über die Glasscheibe vor dem Bild von Gustav Klimt „Tod und Leben“ geschüttet hab, ist von uns relativ kurzfristig geplant worden. Die Idee kam auf, weil an dem Tag OMV den Gratiseintritt gesponsert hat, wie jedes Jahr zum Leopolditag. Und OMV ist bekannt dafür, recht skrupellos weiter das Business mit Öl und Gas zu forcieren. Die wollen auch weiter noch neues Öl und Gas suchen. Das war quasi der Hauptanlass. Und natürlich hat es schon mehrere solche Aktionen gegeben in Deutschland, in den Niederlanden, in Großbritannien, die für uns auch inspirierend waren.
Welchen Zweck erfüllt Klimaprotest im Museum?
Grundsätzlich ist unsere Strategie immer, das Bewusstsein über den Klimawandel von einer abstrakten, rationalen Ebene – wo man eben mit der Sprache die Menschen anspricht – auf eine emotionale Ebene zu holen. D.h. wir wollen bewusst die Menschen erschüttern. Und durch diese Aktion im Leopold Museum haben wir eine Erschütterung hervorgerufen durch den Schock, der entsteht, wenn was Wunderbares, was Schönes, was Wertvolles zerstört wird. Es ist aber nicht wirklich zerstört worden, und wir wollen nichts zerstören, sondern wir wollen auf die Zerstörung unserer Lebensgrundlage der Natur hinweisen.
Wir sind sehr klar und sehr bestimmt darin, dass wir keine Gewalt anwenden. Wir versuchen auch Sachschäden zu vermeiden, aber wir finden, dass eben Dinge, die nichts empfinden können, wenn die kaputt gehen, nehmen wir das in Kauf.
Wie habt ihr sichergestellt, dass das Kunstwerk keinen Schaden nimmt?
Es gibt da ein 3D-Rundgangtool auf der Website vom Leopold Museum, wo wir uns genau angeschaut haben, dass eben links ein Bild hängt, das nicht verglast ist. Deswegen hab ich von linker Seite die Glasscheibe angeschüttet, um eben zu vermeiden, dass vielleicht ein Spritzer da rüber geht. Wir haben gewusst, dass die Glasscheibe von unten verschlossen ist. D.h. es hat auch nicht passieren können, dass wenn die Flüssigkeit auf den Boden klatscht, dass das nach oben spritzt. Ich hab die Schüttung bei mir zuhause in der Dusche ungefähr fünf Mal geübt bis ich eben im Umgang mit dieser Wärmflasche sicher war. Die Substanz selber besteht aus Guarkernmehl. Das verdickt das Wasser. Und das Pulver, dass es schwarz macht, ist vollkommen unbedenklich, das ist ph-neutral. Wir haben bei uns eine Chemikerin dabei und eine Molekularbiologin, deswegen haben wir gewusst, dass hier nichts passieren kann.
Welche Rolle haben Museen in alledem?
Also per se ist das Museum nicht Ziel eines Angriffs oder einer Attacke. Wir wollten auch überhaupt nicht die Museen kritisieren, sondern wir nutzen sie nur als Bühne. Aber weil das jetzt so ins Gespräch kommt, finde ich es wichtig zu sagen, dass die Kunst eine große Rolle spielt und der Kulturbetrieb eine große Rolle spielt, weil es um eine fundamentale Erneuerung unserer Gesellschaft geht. Wenn wir klimaneutral, ökologisch verträglich und gut leben wollen in Zukunft, dann brauchen wir völlig neue Ideen, und die können nur aus der Kunst kommen.