1868–1900: Schulbildung als Privatinitiative
Sammeldose für den Schulverein Komenský, Ende 19. Jahrhundert/Schulverein Komenský
Eines der zentralen Anliegen jeder Sprachgruppe ist es, Bildung in der eigenen Erstsprache zu ermöglichen. Dahinter standen und stehen nicht allein politische, sondern auch pädagogische Überlegungen: Wenn Kinder in ihrer Erstsprache unterrichtet werden, können Inhalte insgesamt und auch andere Sprachen besser erlernt werden.
Als die tschechischen Wiener*innen im Jahr 1868 erste Schritte unternahmen, um eine eigene Schule zu gründen, nahmen sie damit ein großes Problem selbst in die Hand. Eigentlich hatte der Staat allen „Volksstämmen“ schon seit 1848 die „Gleichberechtigung“ als Grundrecht zugesichert. Was das konkret bedeutete, war aber offen. Mit einem Komitee zur Errichtung einer Industrieschule in Wien wollten die Aktivist*innen der großen tschechischen Bevölkerung in Wien nun selbst die Möglichkeit zur Bildung in der Erstsprache durchsetzen. Um eine Schule finanzieren zu können, wurden Sammeldosen wie diese in Räumen aufgestellt, die von der tschechischen Community häufig besucht wurden, wie z.B. in Gasthäusern. Gesammelt wurde nicht nur in Wien, der Großteil der Gelder kam aus den böhmischen Ländern. Wenige Jahre später, 1872, wurde daraus der Verein Komenský. Der Name bezieht sich auf Jan Komenský (lateinisch Comenius), der als eine der Gründerfiguren der Pädagogik gilt. Er war in Mähren geboren worden und hatte dort die ersten Schritte seiner Karriere gemacht.
Der Verein brauchte zur Gründung einer Schule vor allem Geld – eine Situation, die bis heute unverändert geblieben ist. Ohne die finanzielle Unterstützung der tschechischen Wiener*innen wäre der Schulbetrieb der Komenský-Schule auch heute nicht möglich. Aufrechterhalten wird er durch Spenden und Schulgeld, das die Eltern für den Besuch ihrer Kinder zahlen. Zwar haben die Angehörigen der staatlich anerkannten Volksgruppen das Recht auf Schulbildung, gratis wäre diese aber nur an einer öffentlichen Schule – das heißt in Wien: einer deutschsprachigen Schule. Aktuell müssen daher die Eltern jährlich rund eineinhalb Millionen Euro an Betriebskosten tragen, die nicht seitens des Staates gedeckt werden. Auch nach 155 Jahren ist es also die Spendendose für die tschechische und slowakische Schule, die deren Erhaltung ermöglicht. Zweisprachige Bildung bleibt weiterhin ein Luxusgut.
Wir danken Vlasta Vales für Textbeiträge.