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Festrede der Generaldirektorin Johanna Rachinger
Anlässlich der Eröffnung des Hauses der Geschichte Österreich am 10. November 2018

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident,

sehr geehrter Herr Bundesminister Blümel,

sehr geehrte Frau Bundesministerin Kneissl,

sehr geehrter Herr Bundespräsident außer Dienst,

sehr geehrte Frau Präsidentin des Bundesrates,

sehr geehrte Frau Landeshauptfrau,

sehr geehrter Herr Landeshauptmann,

sehr geehrter Herr Bischof,

sehr geehrter Herr Präsident der islamischen Glaubensgemeinschaft,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

Es ist mir eine große Freude, Sie alle heute hier bei uns in der Österreichischen Nationalbibliothek zu einem ganz besonderen Anlass begrüßen zu dürfen. Wir blicken zurück auf 100 Jahre Republik und wir blicken in die Zukunft mit der Gründung eines neuen Museums. Es ist ein Museum, das am Papier ja schon lange und schon öfters beschrieben und erwünscht worden ist, heute wird es Realität.

Als Staatsbürgerinnen und Staatsbürger freuen wir uns über das Bekenntnis zu einer neuen Institution, die sich offen und vielstimmig mit der Geschichte unserer Demokratie beschäftigt, einer Institution, die sich die demokratische Bewusstseinsbildung auf ihre Fahnen geschrieben hat: und zwar für alle Bevölkerungsschichten, für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, für Flüchtlinge, die bei uns Aufnahme gefunden haben, für alle Österreicherinnen und Österreicher.

Ich freue mich, dass die Österreichische Nationalbibliothek das Haus der Geschichte Österreich in der Zeit des Aufbaus tatkräftig unterstützen konnte. Wir haben dem Team des Hauses der Geschichte organisatorisch und räumlich ein Zuhause gegeben. Und wir freuen uns, wenn wir auch in Zukunft weiter gut zusammen arbeiten werden.

Die Anbindung an das Parlament, die vor ein paar Tagen von Bundesminister Gernot Blümel und dem Präsidenten des Nationalrats Wolfgang Sobotka verkündet worden ist, beseitigt eine Phase der Unsicherheit und der Ungewissheit. Die Gründung einer eigenen Institution als wissenschaftliche Anstalt öffentlichen Rechts soll dem neuen Haus Eigenständigkeit und auch weiterhin wissenschaftliche Unabhängigkeit sichern.

„Aufbruch ins Ungewisse – Österreich seit 1918“ lautet der Titel der Eröffnungsausstellung, die Sie bald sehen können und von der Sie heute noch viel hören werden.

Es ist nicht so sehr die große Politik, die im Zentrum der Ausstellung steht, obwohl die politischen Ereignisse und die großen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts durchaus ihren Platz gefunden haben und gewissermaßen das chronologische Skelett für die Präsentation der Themen bilden.

Nein, es sind vielmehr die Gedanken, die Konflikte, die Vorstellungen und die Lebenswirklichkeiten der Menschen in den letzten hundert Jahren unserer Geschichte, die anhand von einzigartigen Objekten, anhand von Dokumenten, Bildern, Texten und Tönen in Erinnerung gerufen werden.

Wir alle haben ja unsere eigenen Bilder und Vorstellungen im Kopf über hundert Jahre Republik, zum Teil aus der Erinnerung, zum Teil aus den Medien, zum Teil aus der Lektüre von Büchern, die man zuhause liest oder vielleicht sogar in Bibliotheken.

Die Ausstellung zeigt, dass in dieser schwierigen Phase des Aufbruchs auch viel Neues und Positives geschaffen wurde. Sie zeigt, dass schon in der Ersten Republik die Grundlagen für die Entwicklung einer demokratischen Republik Österreich gelegt werden konnten durch die Tat- und Willenskraft von Männern und Frauen und dass es also durchaus Chancen und Potentiale gab für eine positive Entwicklung. Wie wir wissen, sind sie leider nicht genützt worden.

Warum wurden diese Chancen nicht genützt? Warum konnte die Demokratie im Österreich der 30er Jahre nicht bestehen? Wie erklären wir unseren Kindern und Enkelkindern die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte – das Abgleiten in die Diktatur, den „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich, den Nationalsozialismus, die Shoah?

Und wie erklären und erzählen wir die Entwicklung Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg jüngeren Generationen?

Generationen, die mit dem März 1938 nichts mehr verbinden, die sich selbst unter dem Eisernen Vorhang und der Europäischen Integration nichts vorstellen können, weil für Sie Demokratie, Frieden und Wohlstand selbstverständliche Güter sind und nichts wofür es sich zu kämpfen einmal gelohnt hat.

Auf all diese Fragen wird auch das Haus der Geschichte Österreich keine endgültigen Antworten geben können. Aber alleine, dass es diese Fragen gibt, zeigt wie dringend wir dieses Haus brauchen, als einen lebendigen Ort der Auseinandersetzung mit Geschichte, als einen Ort der historischen Bildung und der Diskussion und der vielstimmigen Debatte.

Ich gratuliere dem Team des Hauses der Geschichte Österreich und seiner Direktorin Monika Sommer zu der großartigen Arbeit, die hier geleistet wurde und die uns ermöglicht, dass wir heute dieses Fest feiern können.

Es ist ein Fest der Demokratie und ein Bekenntnis zur Demokratie und zur Notwendigkeit einer verantwortungsvollen Auseinandersetzung mit unserer Geschichte. Denn das Bekenntnis zur Demokratie ist die einzig sichere Grundlage für eine positive und "zukunftsreiche" Entwicklung unseres Landes und unserer großen "Töchter und Söhne" - wie es in unserer Bundeshymne heißt.