WählerInnenstromanalysen zeigen die Veränderungen von Entscheidungen der WählerInnen im Vergleich zur vorigen Wahl. Sie bilden die Wanderungen von WählerInnen zwischen kandidierenden Parteien ab – oder von bzw. zur Gruppe der NichtwählerInnen. Somit wird sichtbar:
- wieviele WählerInnen ihrer Partei treu geblieben sind.
- wieviele WählerInnen einer anderen Partei ihre Stimme gegeben haben.
- woher neu antretende Parteien Stimmen bekommen haben.
- wieviele WählerInnen welcher Partei dieses Mal nicht wählen gegangen sind oder von NichtwählerInnen zu WählerInnen wurden.
Analyse ohne Befragungsdaten
SORA-WählerInnenstromanalysen basieren auf „Aggregatdaten“, also auf Ergebnissen von Bezirken, Gemeinden, Sprengeln etc. Von den dort errechneten statistischen Zusammenhängen wird auf das Verhalten der Wählerinnen und Wähler geschlossen.
Vorgegangen wird dabei etwa so: Wenn eine Partei bei der aktuellen Wahl im Schnitt genau in jenen Gemeinden stark ist, in denen eine andere Partei bei der Vergleichswahl stark war, interpretiert SORA das als Hinweis, dass viele WählerInnen zwischen diesen Parteien gewechselt haben.
Verfahren zur Berechnung
Das Verfahren dazu basiert auf Wahrscheinlichkeitsrechnung und heißt multiple Regression: „Regression“, weil die Parteienergebnisse der aktuellen Wahl auf die Parteienergebnisse der Vergleichswahl zurückgeführt (regrediert) werden. „Multipel“, weil SORA das aktuelle Wahlergebnis einer Partei gleichzeitig mit den Ergebnissen aller Parteien der Vergleichswahl in Beziehung setzt.
Die Gleichung für eine WählerInnenstromanalyse von der Nationalratswahl 2008 zur Nationalratswahl 2013 sieht etwa für die SPÖ 2013 so aus:
SPÖ2013 = b1 × SPÖ2008 + b2 × ÖVP2008 + b3 × FPÖ2008 + b4 × BZÖ2008 + b5 x Grüne2008 + b6 × Sonstige2008 + b7 × NichtwählerInnen2008.
Bezüglich demographischer Veränderungen wird für die Berechnung die Annahme getroffen, dass die wahlberechtigten Personen gleich bleiben, d.h. Zugänge durch Zuzug und ErstwählerInnen werden mit Abgängen durch Wegzug und Verstorbene gleichgesetzt. Unterschiede in der Anzahl der Wahlberechtigten zwischen den beiden betrachteten Wahljahren werden über die Anzahl der NichtwählerInnen ausgeglichen. Wenn die Anzahl der Wahlberechtigten ansteigt, so gelten diese „neuen“ Wahlberechtigten bei der Vergleichswahl als NichtwählerInnen.
Hochrechnung
Auch die SORA-Hochrechnung, die Einschätzung von Ergebnissen vor einer Wahl, beruht auf der WählerInnenstromanalyse. Mittels der WählerInnenströme, die auf Basis der ausgezählten Stimmen berechnet werden, schließt SORA so auf das Gesamtergebnis.
Dahinter liegt die Annahme, dass Trends in sozial ähnlichen Sprengeln ähnlich ausfallen werden. Im Vorfeld der Wahl müssen daher ähnliche Gruppen von Sprengeln identifiziert werden, in denen auch am Wahltag vergleichbare WählerInnenbewegungen zu erwarten sind.
Aufgrund des Wahlgeheimnisses lassen sich WählerInnenstromanalysen nachträglich nicht letztgültig überprüfen. Vergleichsstudien mit sogenannten Exit Polls, also Befragungen nach einer Wahl, zeigten jedoch, dass das beschriebene Verfahren auf Basis von Aggregatdaten sehr verlässlich ist.
Weiterführende Literatur
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Hofinger, Christoph / Ogris, Günther (2002): Orakel der Neuzeit: Was leisten Wahlbörsen, Wählerstromanalysen und Wahltagshochrechnungen?, in: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft (31), 143–158.
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Longchamp, Claude (2004): Das unausgeschöpfte Potenzial der gleichzeitigen Verwendung von Individual- und Kollektivdaten. gfs.bern.
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Laurenz Ennser-Jedenastik (2016): Wie Wählerstromanalysen funktionieren. derStandard.at, 27. April 2016.